Das Unraveling-Prinzip

Startpunkt für die Theorie der Unternehmenspublizität (disclosure theory)

Dirk Simons, Universität Mannheim

Welches Unternehmen informiert welchen Adressaten wann über welche Sachverhalte unter welchen Anreizen? So prägnant lässt sich die Theorie der Unternehmenspublizität zusammenfassen. Das Unraveling-Prinzip bildet die Grundlage dieser Theorie. Es zeigt, dass es im ureigenen Interesse eines Anbieters liegt, über die Qualität seines Gutes zu berichten.

Im Jahr 1985 definiert Müller-Merbach auf der Tagung des VHB die informationsorientierte BWL als „das Verstehen der Unternehmung aus der Informationsstruktur und aus den Informationsabläufen heraus.“1 Gleiches gilt für Märkte: Akerlof warntin seinem berühmten „Market for Lemons“ vor der Gefahr des Marktzusammenbruchs infolge von Informationsasymmetrie.Aufbauend darauf zeigen Grossman und Hart mit Hilfe des Unraveling-Prinzips, wie sich an Märkten Informationssymmetrie einstellen kann:3 Kennen Käuferinnen und Käufer die individuelle Qualität eines Gutes nicht, so bieten sie einen Durchschnittspreis. Ein Verkäufer, der ein Gut überdurchschnittlicher Qualität anbietet, wird diese private Qualitätsinformation den Käuferinnen und Käufern mitteilen, um mehr als den Durchschnittspreis erlösen zu können. Den schweigenden Verkäuferinnen und Verkäufern mit weiterhin unbekannter Qualität bieten die Käuferinnen und Käufer nun einen modifizierten niedrigeren Durchschnittspreis an, weil die vorteilhaftesten Verkäuferinnen und Verkäufer durch ihre Publizität aus der anonymen Masse ausgeschieden sind. Damit gibt es unter den bisher schweigsamen Verkäuferinnen und Verkäufern wieder solche mit überdurchschnittlichem Qualitätsangebot und der Prozess setzt sich iterativ fort. Folglich stellt sich eine Situation mit Informationssymmetrie ein.

Auf diesem Unraveling-Prinzip baut ein umfangreicher Literaturstrang auf, der unter weniger restriktiven Annahmen das Auftreten partieller Informationssymmetrie beschreibt, was bedeutet, dass viele Unternehmen freiwillig publizieren und andere nicht.4 Diese Analysen

  1. geben die Annahme kostenloser Publizität auf,
  2. modifizieren die Art des Informationsvorsprungs auf Seiten der Unternehmen,
  3. erweitern die Aktionsmöglichkeiten der Käufer,
  4. lassen eine Vielzahl von Adressaten zu,
  5. betrachten die Wechselwirkungen zwischen freiwilliger und verpflichtender Publizität u.v.m.

Die Robustheit des Unraveling-Prinzips erklärt, warum eine Vielzahl empirischer Studien darauf aufbaut5. Dabei bestätigt sich das Unraveling-Prinzip wiederholt. Unternehmen publizieren freiwillig über den gesetzlichen Rahmen hinaus und erreichen dadurch höhere Unternehmenswerte, bessere Kreditbedingungen oder ähnliches.

Dirk Simons, Universität Mannheim

 

Quellenangaben:

Müller-Merbach, H. (1985): Ansätze einer informationsorientierten Betriebswirtschaftslehre, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), Information und Wirtschaftlichkeit, Wiesbaden, S. 117 – 144   

Akerlof, G.A. (1970): The Market for ‘Lemons’: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, Quarterly Journal of Economics, Vol. 84, S. 488 – 500.

Grossman, S.J., Hart, O.D. (1980): Disclosure Law and Takeover Bids, Journal of Finance, Vol. 35, S. 323 – 334.

Beyer, A., Cohen, D., Lys, T., Walther, B. (2010): The financial reporting environment: Review of the recent literature, Journal of Accounting and Economics, Vol. 50, S. 296 – 343.

Sieber, T., Weissenberger, B.E., Oberdörster, T., Baetge, J. (2014): Let’s talk startegy: the impact of voluntary strategy disclosure on the cost of equity capital, Business Research, Vol. 7, S. 263 – 312.