Arbeitszufriedenheit

Wenzel Matiaske, Helmut-Schmidt-Universität/Uni Bw H

Arbeitszufriedenheit als Mittel oder Ziel ist eine der zentralen Variablen der Personal- und Organisationsforschung, die auch als Indikator individueller Wohlfahrt in den Großforschungsinstrumenten reüssieren konnte. Heute ist zu fragen, ob traditionelle Mittel situativer Arbeitsgestaltung weiterhelfen, um Zufriedenheit mit der Erwerbsarbeit zu ermöglichen.

Ein gerechter Anteil an der Wertschöpfung für den Faktor Arbeit, Reduktion der Arbeitszeit als Schritt aus dem Reich der Notwendigkeit, (Wieder-)Erlangung von Kontrolle über den Produktionsprozess und auch sinnhaftes Erleben in der Tätigkeit – so lauteten klassische Forderungen, deren Einlösung jenseits oder innerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse gesucht wurde.

Levensteins (1912) Studie, die nicht nur bei über 5.000 befragten Berg-, Textil- und Metallarbeitern, sondern auch in der frühen Sozialwissenschaft Widerhall fand, gibt Auskunft über Wünsche und Frustrationen, Zwänge und „kleine“ Freiheiten im Arbeitsleben. Da bekundet ein 35jähriger Eisendreher, sich als Sklave zu fühlen, weil ihn bei der Arbeit der Gedanke plagt, nur insoweit besoldet zu werden, um seine „körperliche Energie in Harmonie zu halten“ (71). Aus vielen Interviewpassagen spricht Unmut über Entgelt, Arbeitszeit und -bedingungen. Jedoch lesen wir auch von der Arbeitsfreude, die hilft mehr zu leisten und damit mehr nach Hause zu bringen und die sich einstellt, „wenn man vom Fabrikanten freundlich behandelt wird“ (ebenda). Ferner erfährt man etwas über intrinsische Motivation und die Schwierigkeit des Verzichts auf Erfüllung dieses Bedürfnisses. Ein Werkzeugschlosser schreibt: „Die Arbeit an sich macht mir sehr viel Freude. Ich glaube sogar, sie zur Erhaltung meines Gleichgewichtes zu bedürfen. Es ist dies allerdings nicht der Fall, wenn ich anhaltend monotone Arbeit verrichten muss. Dann kann sich die Unlust bis zum Ekel steigern“ (70).  Das Leben, mithin das Arbeitsleben kann nur einmal gelebt werden. Darum gilt es die Verhältnisse im Heute zu verbessern und Arrangements zu finden.

Andere Studien sind in den Kanon der Lehrtexte aufgenommen worden. Taylor begnügte sich noch mit Effizienzsteigerung durch Arbeitsteilung, ergonomischer Gestaltung von Zeit und Situation und Pensumslohn als Anreiz. Im Gefolge der Hawthorne-Studien, dem Quellgebiet des organizational behavior und der daraus schöpfenden Subdisziplinen in Psychologie, Soziologie und Betriebswirtschaftslehre, wurde die Arbeitszufriedenheit zum Indikator für eine erhöhte Leistungs- und eine verminderte Fluktuationsneigung. Die sozialen Beziehungen im Betrieb, der Führungsstil und die Aufgabengestaltung wurden zu Einflussgrößen. Die praxeologisch orientierten Sozialwissenschaften arbeiteten sich am Bürokratiemodell und am Taylorismus ab und entwickelten Modelle erweiterter Handlungsspielräume. Praktikerinnen und Praktiker erkannten verschiedentlich den Nutzen der Harmonisierung von ökonomischen und sozialen Zielen, nicht nur in der gebotenen legitimatorischen Hilfestellung.

Die weitere Forschung hat, insbesondere auf Ebenen des Individuums und der Gruppe, ein genaueres Verständnis der Arbeitszufriedenheit als Ergebnis, Voraussetzung und Begleiterscheinung der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Seit rund vier Dekaden ist die Arbeitszufriedenheit auch als ein Indikator der subjektiven Wohlfahrt Gegenstand der sozialwissenschaftlichen Dauerbeobachtung, mittlerweile sogar in der amtlichen Statistik. Panelstudien für Deutschland zeigen, dass die Arbeitszufriedenheit im generellen Trend weitgehend auf höherem Niveau verharrt. Im internationalen Vergleich findet sich Deutschland bezüglich der Einkommen, der Beschäftigungssicherheit, aber auch des Arbeitsschutzes im wünschenswerten Bereich. Erhöht ist dagegen der Anteil der Personen, die unter Arbeitsstress leiden. Dies weniger, weil die Anforderungen als zu hoch, sondern weil die Ressourcen zur Bewältigung als zu niedrig angesehen werden (OECD  2017). Auch mit Blick auf jüngste Schübe der Digitalisierung von Arbeit wird zu prüfen sein, ob die bewährten Mittel zur Erweiterung der Handlungsspielräume weiterhin wie gewünscht wirken oder ob nicht auch die Routine als verhältnisbezogene Maßnahme als Schutz vor Überlastung wiederzuentdecken ist (Luhmann 1964).

Wenzel Matiaske, Helmut-Schmidt-Universität/Uni Bw H

 

Quellenangaben:

Levenstein, Adolf (1912): Die Arbeiterfrage. Mit besonderer Berücksichtigung der sozialpsychologischen Seite des modernen Großbetriebes und der psycho-physischen Einwirkungen auf die Arbeiter. München: Ernst Reinhardt.

Luhmann, Niklas (1964): Ein Lob der Routine. In: Verwaltungsarchiv, 56. Jg., S. 1-33.

OECD (2017), OECD-Beschäftigungsausblick, Kapitel 1, OECD Publishing, Paris.

Walter-Busch, Emil (1989): Das Auge der Firma. Mayos Hawthorne-Experimente und die Harvard Business School, 1900–1960. Stuttgart: Enke.