Internationalisierungsprozesse

Wie Unternehmungen im Ausland expandieren

Stefan Schmid, ESCP Business School, Berlin

Wenn Unternehmen internationalisieren, so müssen sie Prozesse der Internationalisierung gestalten. Welche zentralen Ideen zum Internationalisierungsprozess hat die Betriebswirtschaftslehre entwickelt?

Viele Unternehmen haben ihre internationalen Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten deutlich intensiviert. Insofern überrascht es nicht, dass sich die Betriebswirtschaftslehre ausführlich mit Prozessen der Internationalisierung beschäftigt.

Besonders stark zitiert sind die Ansätze der Uppsala-Schule um Jan Johanson und Jan-Erik Vahlne, gemäß derer die Internationalisierung von Unternehmen im Zeitablauf anhand der Establishment Chain (von sporadischem über regelmäßigen Export hin zu Vertriebs- und Produktionsgesellschaften im Ausland) und anhand der Psychic Distance Chain (von psychisch nahen hin zu psychisch immer weiter entfernteren Ländern) erfolgt. Die Vertreter der Uppsala-Schule postulieren, dass sich Unternehmen inkrementell weiterentwickeln und ihre Internationalität durch Lernprozesse kontinuierlich erhöhen.

Ähnlich wird der Internationalisierungsprozess von Vertretern der Helsinki-Schule um Reijo Luostarinen erklärt. Allerdings wird dabei im Vergleich zur Uppsala-Schule eine größere Bandbreite an Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien berücksichtigt, eine stärkere Differenzierung der Distanz (im Hinblick auf die physische, kulturelle und ökonomische Distanz) vorgenommen und der Tatsache Rechnung getragen, dass der Internationalisierungsprozess nicht unabhängig von der betrachteten Produktkategorie ist (Sachgüter, Dienstleistungen, Systeme etc.).

Dass Internationalisierung jedoch nicht immer graduell bzw. inkrementell vonstattengeht, betonen Klaus Macharzina und Johann Engelhard mit dem GAINS-Ansatz, nach dem der Internationalisierungsprozess sowohl Phasen der Ruhe als auch Phasen der Veränderung aufweist. Veränderungen können dabei auch sprunghaft erfolgen. Das „Drei-E-Konzept“ von Michael Kutschker und dessen Ko-Autoren greift diese Überlegungen auf. Internationalisierung wird als gradueller und revolutionärer Prozess interpretiert, in dem die graduellen Veränderungen sich primär in der Evolution, die revolutionären Veränderungen dagegen stärker in Episoden zeigen. Epochen stellen die dritte Prozesskategorie dar, die häufig nicht nur Veränderungen der Oberflächen-, sondern auch der Tiefenstrukturen mit sich bringen. Evolution, Episoden und Epochen verlangen nach jeweils unterschiedlicher Führung.

Eine Vielzahl von empirischen Studien weist nach, dass Prozesse der Internationalisierung nicht für alle Unternehmen gleich verlaufen. Großunternehmen internationalisieren nicht wie kleine und mittlere Unternehmen, Born Globals unterscheiden sich von schon lange etablierten Unternehmen, und Unternehmen aus den sog. „Emerging Economies“ zeigen ein anderes Verhalten als Unternehmen aus etablierten Volkswirtschaften. Dabei gilt für Internationalisierungsprozesse das, was auch in zahlreichen anderen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre zutrifft: Es existieren keine Gesetzmäßigkeiten, so dass Prozesse der Internationalisierung realiter nicht nach einem ganz bestimmten Muster ablaufen müssen. Vielmehr führen die Vielzahl an Internationalisierungsmotiven und die Veränderungen im Zusammenspiel der internen und externen Einflussfaktoren dazu, dass sich Internationalisierungsprozesse stark unterscheiden. Das Management eines Unternehmens muss sich im Rahmen der Expansion nicht nur aktiv um die zeitliche Gestaltung von Markteintritts-, Marktbearbeitungs- und Zielmarktstrategien kümmern, sondern sollte auch Allokations- und Koordinationsstrategien im Blick behalten.