Mittelstand und New Work – (wie) passt das zusammen?

Nadine Kammerlander, WHU – Otto Beisheim School of Management

Mittelständische Familienunternehmen gelten oft als archaische Arbeitgeber. Doch eine tiefergehende Betrachtung zeigt, dass sie ausgezeichnete Grundlagen und Werte besitzen um „New Work-Arbeitgeber“ zu werden.

Wenn man Studierende zu ihren Traumarbeitgebern befragt, so landen oft Automobilkonzerne sowie Techunternehmen auf den vordersten Plätzen. Auch Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, ebenso wie agile Startups, sind begehrte Arbeitgeber für Absolventinnen und Absolventen. Selten hört man von Studierenden, dass sie nach ihrem Abschluss im Mittelstand arbeiten möchten.

Auf den ersten Blick ergibt das viel Sinn. So wird der Mittelstand oft mit einem patriarchalen Führungsstil assoziiert. Während der Eigentümer-Manager sich zwar um das Wohl der Mitarbeitenden sorgt, so erfolgen Entscheidungen doch oft von oben und intransparent. Im Gegenzug zu Konzernen gibt es keine vorgegebene Karriereentwicklung, und auch in Bezug auf Boni und Weiterbildungen hängt mittelständischen Familienunternehmen der Ruf an, geizig zu sein. Zudem macht die oft ländliche Lage den Mittelstand als Arbeitgeber für junge Talente unattraktiv. Trends wie New Work1, welche die erhöhten Anforderungen der jungen Generationen an den Arbeitsmarkt widerspiegeln, scheinen sich nicht mit dem Mittelstand vereinbaren zu lassen.

Doch ist das wirklich so? Und was bedeutet New Work für den Mittelstand, der immerhin ein Grundpfeiler unserer Wirtschaft ist? Ein Grund zum Verzagen? Sicherlich nicht. Denn ein genaues Hinschauen zeigt: Viele der ‚typischen Eigenschaften‘ von mittelständischen Unternehmen, die insbesondere die Familienunternehmensforschung der letzten ca. 30 Jahre erarbeitet hat und die die Kultur von Familienunternehmen prägen, sind dazu geeignet, Talente anzuziehen und zu halten.

Die Tabelle visualisiert, welche Mittelstandseigenschaften diesen Unternehmen dabei helfen können, die Transformation von der alten Welt zu New Work zu beschreiten. Der Mittelstand zeichnet sich oft durch Werte und Eigenschaften wie Vertrauen in die Mitarbeitenden sowie die unternehmensexternen Partner, den Fokus auf nichtfinanzielle Ziele, sowie schlanke, effiziente Strukturen aus. Werden diese fundamentalen Besonderheiten des Mittelstandes neu gedacht, so ergeben sich daraus vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz von New Work – wie er auch bereits in einigen mittelständischen Unternehmen gelebt wird.

Die Herausforderung für den Mittelstand, den Weg zu New Work zu beschreiten ist zweifach: Zum einen müssen die mittelständischen Unternehmen sich auf ihre Kernwerte fokussieren und ihre Arbeitsweisen kontinuierlich anpassen. Statt am „wir haben das schon immer so gemacht“ festzuhalten, sollten die Unternehmerinnen und Unternehmer reflektieren: Was sind die zugrunde liegenden Werte unseres Unternehmens? Was macht deren Identität aus? In einem weiteren Schritt gilt es zu analysieren, wie diese Werte für die Arbeitsweisen des 21. Jahrhunderts gewinnbringend eingesetzt werden können. Zum zweiten müssen sie diese Vorteile auch nach außen hin kommunizieren, um den Arbeitgeber Mittelstand attraktiv zu halten. Insbesondere die Möglichkeit sinnstiftend zu arbeiten, wenn der Mittelstand nicht rein auf finanzielle Ziele getrimmt ist, sollte für viele „Purpose“-getriebene Generation Y Talente attraktiv sein. An dieser Stelle zeigt sich: Das Konzept des Hidden Champions ist mit der (Arbeits-)Welt des 21. Jahrhunderts nur schwer vereinbar. Stattdessen sind heutzutage „Open Champions“ gefragt, die ihre Leistung und Erfolgsrezepte auch nach außen zeigen.  

Nadine Kammerlander, WHU

Quellenangaben:

Der ursprünglich von Frithjof Bergmann entwickelte Begriff „New Work“ zur Beschreibung der (idealen) Arbeitsweise in einer Wissensgesellschaft wird in diesem Schlaglicht – im Einklang mit anderen Publikationen – als „Sammelbegriff“ für die aktuelle, durch Globalisierung, Technologie, und Kultur induzierte Transformation am Arbeitsmarkt angesehen.