Algorithmisches Management

Wenn Algorithmen zum „Boss“ werden

Martin Wiener, TU Dresden

Das algorithmische Management bezeichnet den Einsatz von intelligenten Algorithmen und digitalen Technologien zur Automatisierung von klassischen Managementaufgaben. Während die Nutzung von algorithmischen Managementpraktiken in Unternehmen der Plattformökonomie (z. B. Uber) bereits weit verbreitet ist, werden entsprechende Praktiken mittlerweile auch verstärkt von traditionellen Unternehmen genutzt. Insofern kann im algorithmischen Management ein zentraler Baustein der Zukunft der Arbeit („Future of Work“) gesehen werden.

Das US-amerikanische Unternehmen Uber bietet seine plattformbasierten Vermittlungsdienste zur Personenbeförderung mittlerweile in 69 Ländern an. Hierzu managt Uber ein globales Netzwerk von ca. 3,5 Mio. Fahrern, die im Jahr 2019 mehr als 7 Mrd. Fahrten durchgeführt haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Großteil der Fahrerinnen und Fahrer noch nie persönlich mit einem Uber-Manager interagiert hat. Wie ist das möglich? – Die Antwortet lautet: durch algorithmisches Management.

Unter dem algorithmischen Management versteht man die Sammlung von großen Datenmengen in Verbindung mit dem Einsatz von intelligenten Algorithmen und digitalen Technologien (z. B. mobilen Apps und Sensoren) zur automatisierten Durchführung von Koordinations- und Steuerungsaufgaben (Cram & Wiener 2020; Möhlmann et al. 2021). Auch wenn beim algorithmischen Management die Konfiguration relevanter Managementmechanismen (und entsprechender Algorithmen) oftmals noch menschlichen Akteuren obliegt, spielt die künstliche Intelligenz (KI) hier eine immer wichtigere Rolle (Wiener et al. 2021). Die Inkraftsetzung und Kommunikation der Mechanismen passieren dann vollautomatisiert durch Algorithmen und digitale Technologien (siehe Abbildung 1).

Die Literatur unterscheidet zwischen zwei Kernfunktionen des algorithmischen Managements: dem algorithmischen Matching und der algorithmischen Verhaltenssteuerung (Möhlmann et al. 2021). Uber verwendet bspw. KI-basierte Algorithmen sowohl für das Matching von Fahrerinnen und Fahrern mit Kundinnen und Kunden (inkl. der dynamischen Preisbildung) als auch für die Steuerung des Arbeitsverhaltens der Fahrerinnen und Fahrer. Hierfür sammelt Uber detaillierte Verhaltensdaten (z. B. zum Fahrstil), die dann von Algorithmen genutzt werden, um Fahrerinnen und Fahrer zu bewerten; Arbeitsanweisungen, Empfehlungen und Feedback zu geben; und im Extremfall auch um sie zu „feuern“ (Wiener et al. 2021). Auf diese Weise gelingt es Firmen wie Uber, die zwischenmenschliche Interaktion auf ein Minimum zu reduzieren, was die Skalierbarkeit ihrer plattformbasierten Geschäftsmodelle stark begünstigt.

Während das algorithmische Management bereits eine etablierte Praxis in der Plattformökonomie darstellt (neben Uber sind hier Firmen wie Airbnb, Instacart, M-Turk, TaskRabbit und Upwork zu nennen), wird es zunehmend auch zum Management von festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingesetzt. Dies gilt sowohl für Unternehmen mit plattformähnlichen Geschäftsmodellen (z. B. die Lieferdienste Flaschenpost, Gorillas und Lieferando) als auch für traditionelle Unternehmen, wobei algorithmische Managementpraktiken hier komplementär zu menschlichen Managern genutzt werden (Wiener et al. 2021). Zudem sind entsprechende Managementansätze nicht mehr auf Verhaltensdaten beschränkt, sondern nutzen auch weitere Daten (z. B. zu Emotionen). Ein Beispiel ist das MIT-Spin-off Humanyze, das ein mit Sensoren ausgestattetes „ID badge“ entwickelt hat und über Echtzeit-Sprachanalyse eine Messung des Stresslevels von Mitarbeitern ermöglicht. Zu den Kunden von Humanyze gehören u. a. die Bank of America (Cram & Wiener 2020).

Abschließend ist festzuhalten, dass sich durch den zunehmenden Einsatz von algorithmischen Managementpraktiken eine Vielzahl von kritischen Fragen und Herausforderungen ergeben – nicht zuletzt aus datenschutzrechtlicher und ethischer Sicht. Allerdings wäre es zu einfach, den Trend zum algorithmischen Management als etwas grundsätzlich Schlechtes zu „verteufeln“. Zum Beispiel zeigen Studien, dass hierdurch neue Formen der Interaktion möglich werden, die von Arbeitskräften teils positiv gesehen werden (z. B. die Möglichkeit, kontinuierliches Feedback zu erhalten) (Wiener et al. 2021). Zudem kann das algorithmische Management dazu beitragen, digitale Assistenzsysteme (z. B. in der häuslichen Pflege) zu erweitern und verbessern. Folglich ist es eine zentrale Aufgabe der Forschung, die Potenziale des algorithmischen Managements zu erkennen und nutzbar zu machen und damit die Zukunft der Arbeit zum Wohle der Menschheit aktiv mitzugestalten.

Martin Wiener, TU Dresden

 

Quellenangaben

Cram, W. A., & Wiener, M. (2020). Technology-mediated control: Case examples and research
 directions for the future of organizational control. Communications of the Association for Information Systems, 46(Article 4), 70-91.

Möhlmann, M., Zalmanson, L., Henfridsson, O., & Gregory, R. W. (2021). Algorithmic management of work on online labor platforms: When matching meets control. MIS Quarterly, forthcoming.

Wiener, M., Cram, W. A., & Benlian, A. (2021). Algorithmic control and gig workers: A legitimacy perspective of Uber drivers. European Journal of Information Systems, forthcoming.